IG-FFP Präsenz an der Podiumsdiskussion zum Kinofilm "Thorberg";
10.09.2012 00:00Ein wichtiger Film, der uns alle etwas angeht
Der Kinofilm "Thorberg" ist eine eindrückliche Dokumentation über eines der härtesten Gefängnisse der Schweiz. Er zeigt anschaulich und einfühlsam die abgrundtiefe seelische Verlorenheit und Verzweiflung der Gefangenen. Fokus liegt dabei auf der Deklaration nach aussen: man spricht von Resozialisierung - wer den Film sieht merkt jedoch schnell: das pure Gegenteil ist der Fall. Menschen werden z.T.19h in einen regelrechten Käfig an frischer Luft gesperrt. Ohne Stuhl, ohne Tisch, ohne irgendetwas...
Eine Podiumsdiskussion, die ohne Diskussion viel aussagte
Zur anschliessenden Podiumsdiskussion waren der kommende Direktor von Pöschwies, Andreas Nägeli sowie Frank Urbaniok geladen. Bevor der Frageteil mit Publikumsbeteiligung begann sprach F.Urbaniok u.a. von seiner Arbeit im psychologisch-psychiatrischen Dienst (PPD) wo er vorallem in Pöschwies Gefangene therapiert (oder man vorgibt, dies zu tun). Er sprach von Transparenz und Verhältnismässigkeit.
Wer als Betroffener oder Partnerin eines Betroffenen jedoch miterlebt, wie der PPD tatsächlich mit Gefangenen umgeht, konnte bei diesen zwei Worten nur den Kopf schütteln. Gerade an Transparenz und Verhältnismässigkeit scheitert es im PPD!
Belegen können dies nur die Betroffenen selbst da sonst niemand dahinter sieht (oder nicht in der Position ist, sich für die Betroffenen einzusetzen...). Die Stimmung im Kinosaal war enorm angespannt und es wurde deutlich, dass Urbanioks PPD-Regime unter Betroffenen eine eigentlich erschreckende Gegnerschaft hat, die diese seltene Gelegenheit nutzte, der allgemeinen Sprachlosigkeit zumindest im Willen einmal einen Ausdruck zu geben.
Ein mutiger Zürcher Anwalt meldet sich zu Wort
Mutig meldete sich auch Anwalt Rambert zu Wort. Er äusserte, mittlerweile seinen Klienten im Bezug auf die Therapien mit dem PPD grundsätzlich von einer Mitwirkung bei den "Therapien" abzuraten. Dies, da alles, egal was, am Ende doch wieder gegen sie verwendet werden würde. Er kenne dies aus anderen Straf- und Massnahmeanstalten nicht so. Dies sei - so die Worte des Sprechers- ein "selbstgebautes Haus" von F.Urbaniok.
Von Transparenz und Verhältnismässigkeit keine Spur.
WIR ARBEITEN DARAN!
Podiumsdiskussion mit
F. Urbaniok, Andreas Nägeli, neuer Direktor Gefängnis Pöschwies
und Moderator J. Jirat Kino riffraff Zürich, 9. 9. 2012
(Folgend mit freundlicher Genehmigung von D.Fahrer und R.Möckli den Mailwechsel nach der Filmvorführung):
"Liebe Frau Möckli,
Herzlichen Dank für Ihre Rückmeldung, die Würdigung des Films und die
Analyse der Diskussion.
Ja, für Jan Jirat war das nicht einfach zu handeln, doch ich finde, dass
er die emotionalen Interventionen gut aufgefangen hat. Es ist ja auch
alles hochkomplex, und doch: da schaut man einem Menschen in die Augen und
fühlt, dass es feige wäre, wenn man sich hinter der Komplexität verstecken würde.
Rückblickend finde ich, dass durch die konfrontativen Interventionen nicht
nur Verwirrung entstand: Die Dringlichkeit im Grossen wurde Manifest durch
die Vehemenz im Individuellen. Bei mir kamen auch Erinnerungen auf an
zahlreiche Vollversammlungen während der Jugendbewegung in den 80-igern in Bern.
Mit den besten Wünschen
Dieter Fahrer"
----- Original Message -----
From: Dr. med. Regina Möckli
To: Dieter Fahrer
Cc: woz
Gesendet: September 11
Betrifft: THORBERG von Dieter Fahrer und Podiumsdiskussion
"Sehr geehrter Herr Fahrer,
nochmals danke für den Film!
Sehr geehrter Herr Jirat,
danke für Ihre sehr sympathische Überforderung!
Abschliessender Kommentar bezüglich "THORBERG von Dieter Fahrer und Podiumsdiskussion":
Beeindruckende, spannende und ergreifende Darstellung der Haftsituation.
Berührend den Zerfall eines jungen Inhaftierten schrittweise mitzuverfolgen.
Beängstigend, dass keiner eingreift. Die Kamera und wir alle sind nur
Voyeure zur Untätigkeit verurteilt auf der Suche nach guter Unterhaltung.
Ist das die erschreckende Schizophrenie unserer Gesellschaft?
Gesagt wird: wir wollen, müssen und können helfen –
wir delegieren das an unsere Professoren der forensischen Psychiatrie!
Erschlagend die anschliessende Diskussion, die in eine Selbstdarstellung
von Herrn Professor Urbaniok ausartet und das Publikum immer mehr zum Lachen
oder Protestieren ob seiner Lügen und Schönredereien veranlasst, aber
auch verleitet zum Fragen und Kommentieren wegen der durch ihn verursachten
Missstände im Straf- und Massnahmenvollzug.
Fast betäubend wirkt die Herzlosigkeit, Unbeteiligtheit des Professors an
den im Film gezeigten Schicksalen! Als er noch mit der Erklärung des
Untersuchungsinstrumentes Fotres beginnen will, fühlt man sich nahezu in ein
Ausbildungstrainigs für Computer und Ideologie gesteuerte
Riskoeinschätzung von Inhaftierten versetzt.
„Das Gute am heutigen Strafvollzug ist, dass es nicht mehr die Familie
selber lösen muss, sondern der Staat es übernimmt.“ Zitat Prof. Urbaniok
erschreckt wohl trotz allem entstandenen Missmut und der sehr
persönlichen Aussagen das ganze Publikum.
Ich fühle mich ins letzte Jahrhundert versetzt!
Freundliche Grüsse
Dr. med. Regina Möckli"